Marketing für die Schublade Freundliches Unbehagen an einem Preis

Marketing für die Schublade

Ein neuer Literaturpreis!

Anfang letzter Woche wurde über die einschlägigen sozialen Medien und über eine Pressemitteilung publik, dass eine Gruppe von Literaturbloggern unter der Federführung von Tobias Nazemi einen neuen Preis ausgelobt habe, den Blogbuster. Preis der Literaturblogger. Der soll den  besten bisher unveröffentlichen Roman eines Autors würdigen und prämieren, der bisher noch keinen Vertrag mit einem Verlag oder einer Literaturagentur hat.

Das Projekt soll, wenn ich es richtig verstanden habe, so ablaufen, dass bisherige Schubladenautoren ihr Manuskript bei einem der 15 beteiligten Literaturblogger ihrer Wahl einreichen können, dieser jeweilige Blogger, insofern ihm das Manuskript zusagt, zu einer Art Pate wird und es einer Fachjury vorlegt. Die Jury ist besetzt mit Elisabeth Ruge von der gleichnamigen Literaturagentur, Tom Kraushaar von Klett-Cotta, Lars Birken-Bertsch von der Frankfurter Buchmesse und dem Initiator des Ganzen Tobias Nazemi, einschlägig bekannt durch seinen  Blog buchrevier. Als Vorsitzender des Ganzen konnte der Literaturkritiker Denis Scheck gewonnen werden. Konzeptionell erinnert das Projekt ein wenig an eine Mischung aus open mike und The Voice of Germany.

Dem Gewinner des Wettbewerbs winkt ein Vertrag mit der Literaturagentur sowie die Veröffentlichung des Romans. Einzelheiten dazu und zu den teilnehmenden Literaturbloggern findet man auf der zeitgleich freigeschalteten Homepage des Projekts. Zeitlich, so viel sei noch erwähnt, ist das Ganze ziemlich straff gestrickt. Am 21. Oktober 2016 wird das Projekt auf der Frankfurter Buchmesse offiziell vorgestellt, schon im Mai des nächsten Jahres findet die finale Lesung der drei verbliebenen Shortlist-Autoren sowie die öffentliche Preisverleihung in Hamburg statt. Zur Buchmesse 2017 erscheint dann der Roman beim Tropen Verlag, dem Tochterverlag von Klett-Cotta.

Noch ein Literaturpreis!

Das war tatsächlich der erste Gedanke, der sich spontan einstellte, als ich den Post auf Facebook las. Und der zweite: Ein weiteres Buch, das du nicht Zeit haben wirst zu lesen. Wenn es uns an einem nicht mangelt, dann an allmonatlich erscheinenden literarischen Neuerscheinungen und an neuen Autoren auf dem deutschsprachigen Buchmarkt. Ein weiterer spontaner Gedanke, später, nachdem ich gelesen hatte, wer an der Preisvergabe beteiligt ist: Immer dieselben. Ich vermisste nur Mara Giese.

Allenthalben also: Unbehagen. Doch auch, verzögert, Unbehagen am Unbehagen. Bist du eigentlich bescheuert! Ist doch eine prima Idee! Da bekommt ein bisher unbekannter Autor oder eine Autorin eine Chance, die sie oder er bisher nicht hatte, da werden vielfältige Kommunikationsstränge im Literaturbetrieb vernetzt, die Kluft zwischen etablierter Literaturkritik und den Literaturbloggern wird einmal überbrückt und zugleich erhalten Letztgenannte, also die Literaturblogger eine gewichtige, weil in breiterer Öffentlichkeit wahrnehmbare Stimme. Alles gut! Was willst du eigentlich?

Die Selbstbezichtigung als Nörgler nutzte aber nichts; das Unbehagen blieb. Und das – wie schon gesagt – Unbehagen am Unbehagen, erst recht deshalb, weil ich es mir nicht erklären konnte. Gut, ich wusste, dass ich Denis Scheck als Literaturkritiker nicht sonderlich mag. Ich tue mich schwer mit einem Verhalten, das um der Selbstinszenierung willen sich im literaturkritischen Diskurs (der dann keiner mehr ist) sich auf die Schwundstufe des bloßen Stichwortgebers für die mediale Inszenierung eines Autors oder einer Autorin begibt. Das vor kurzem gesendete Interview mit Christian Kracht zu seinem Roman „Die Toten“ ist diesbezüglich ja kein Einzelfall. Ungleich problematischer ist für mich aber die Attitüde desjenigen, der sich anmaßt, aufgrund flott formulierter Urteile fernsehgerecht Bücher in eine Mülltonne werfen zu können. Da frage ich mich jedesmal, wann das brennende Streichholz hinterher fliegt. Welche Art des Umgangs mit Literatur, so wäre vielleicht zu fragen, glaubt man dadurch zu nobilitieren, dass man Denis Scheck zum Vorsitzenden der Blogbuster-Fachjury macht?

Aber sollte dieser Mann allein mein Gefühl des Unbehagens erzeugen? Ich weiß nicht. Mein Gefühl schärfte sich erst aus, als ich erste Reaktionen auf diesen neuen Preis las. Eine Vielzahl, vielleicht sogar alle teilnehmenden Blogger meldeten sich mit einem eigenen Facebook-Post oder einem Beitrag auf dem eigenen Blog zu Wort und kündigten ebenfalls das neue Projekt an. Es gab auch erste, wenn auch zurückhaltende kritische Stimmen. Wichtig wurden mir zur Klärung meines eigenen Unbehagens vor allem zwei Beiträge. Das sind der Facebook-Post von Stefan Mesch, genau genommen die sich an seine Bemerkungen anschließende Diskussion in den Kommentaren, sowie der Blog-Beitrag von Katharina Herrmann auf ihrem Blog Kulturgeschwätz.

Prolepse

Ich sage es gerade heraus: Auf rhetorische und argumentative Finessen, die mit Auf- oder Abwertungsstrategien arbeiten, seien sie nun ironisch verbrämt oder nicht („Uh, Stefan Mesch zerlegt uns. Wir haben es geschafft, Leute! „), habe ich keine Lust.  Sie bringen nichts, denn sie zielen an der Selbstklärungsabsicht meiner Gedanken vorbei. Der oben schon einmal zu Wort gekommene Anti-Nörgler kann sich nämlich durchaus durchsetzen und sich im inneren Team insofern behaupten, als ich den Preis mit Interesse verfolgen werde. Nichts liegt ferner als die Absicht, das Projekt madig zu machen. Was den Nörgler wohl stört, ist das Bild, mit dem der Preis in die literarische Öffentlichkeit hineinlanciert wird.

Einwände

Die erste, die, augenscheinlich genervt, aus dem Kreis der teilnehmenden Buchblogger auf die doch sehr behutsame Kritik reagierte, war, wenn ich das richtig sehe, Sophie Weigand. In einem Kommentar zum oben verlinkten Post von Stefan Mesch wies sie darauf hin, dass die Blogger keineswegs „Opfer geschickten Marketings“ seien, sondern die Initiative aus ihrem eigenen Kreis erwachsenen sei und den Bloggern eine, wenn nicht die zentrale Aufgabe zukommen lasse. Recht hat sie, aber das ist nicht das Problem. Mir erscheint es viel problematischer, dass die Blogger selbst in der Weise, wie der Preis auf die Beine gestellt wird, offensiv (und ohne Zweifel professionell) Marketing betreiben. Sie lassen sich nicht ins Literaturmarketing einspannen, sie spannen sich selbst ein, wenn, mag sein, auch mit der eigenen Kutsche. Sie sind nicht mehr Begleiter des Betriebs, die ihm aus der Distanz kommentierend  folgen, sie sind Teilhaber. Katharina Herrmann beklagt in diesem Zusammenhang, dass Kritiker des Konzepts wohl zu sehr auf „althergebrachte distinktive Strukturen“ setzen würden. Es ist der Preis selbst, der genau diese Strukturen bedient. Man kann das machen, ohne Zweifel, aber dann sollte man das auch sagen und nicht als heroischen Befreiungsakt aus bisheriger Marginalisierung oder als Aufweichung von Disktinktionen darstellen.

Ohnehin sollte nicht übersehen werden, dass es mittlerweile einen Literaturpreis gibt, der sich genuin aus dem Engagement von Literaturbloggern speist. Das ist der in diesem Jahr erstmalig ausgelobte Preis für das beste Debüt eines deutschsprachigen Romans, der von Janine Hasse und ihren Mitstreiterinnen ins Leben gerufen wurde. Freilich gibt es Unterschiede. Der Rahmen, in dem der Preis platziert wird, ist ungleich bescheidener, die Aufmerksamkeit, die er auf sich ziehen wird, aufgrund dessen zweifellos geringer, das Preisgeld in Höhe von 500 Euro weniger attraktiv als die Aussicht auf Agenturvertrag und Verlagsveröffentlichung. Der wesentliche Unterschiede ist aber der, dass all die eingereichten Debüts die Verlagshürde schon hinter sich gebracht haben. Aber macht dieser Unterschied den Blogbuster-Literaturpreis interessanter?

Mir scheint: Nein. Eher habe ich den Eindruck, dass sich in seinem Konzept eine diffuse Skepsis gegenüber den herkömmlichen Wegen von literarischer Förderung und Distribution artikuliert. Denn stillschweigend geht die Preisbegründung von der Annahme aus, es gebe Manuskripte, die durch all die Raster fallen, die Literaturagenturen und Lektorate spannen. Als seien diese Institutionen nicht fähig, den literarisch interessanten Prosabeitrag zu entdecken, zu fördern und zu etablieren. Mag sein, dass man mich mangels tieferer Kenntnisse konkreter Verlagsarbeit der Naivität bezichtigen kann, aber mein Vertrauen in die Einrichtungen ist da durchaus höher. Wenn Mareike Fallwickl in ihrer sympathisch schnoddrigen Art deshalb fürchtet, „dass nur Scheiß eingeschickt wird“, dann ist das eine Möglichkeit, die man nicht so ganz vom Tisch wischen kann. Des Weiteren würde ich mir trotz meiner literarisch geprägten Berufsbiographie nicht anmaßen wollen, die Aufgabe eines Gutachters, Agenten oder Lektors angemessen übernehmen zu können. In diesem Zusammenhang fällt mir da eher Schusters Leisten ein.

Katharina Herrmann begründet ihre Teilnahme damit, dass es ihr wichtig sei, einen Beitrag leisten zu können zur „Auflösung von literaturbetriebseigenen Ausschließungsstrukturen“. Wer Kuturgeschwätz, ihren Blog, verfolgt, wird nicht bestreiten können, dass die Infragestellung von Herrschafts- und Ausschließungsdiskursen ihr wirklich ein ausgesprochen ernst zu nehmendes Anliegen ist. Dennoch leuchtet mir ihre Argumentation in diesem Fall nicht ein, und das aus gleich mehreren Gründen. Dabei möchte ich nicht einmal in eine akademische Diskussion um diskurstheoretische Ansätze eintreten, die daran erinnern, dass jedem Diskurs Ausschließungsimpulse eigen sind. Ich möchte auf konkretere Zusammenhänge verweisen.

Katharina Herrmann betont, sie verstehe sich als „Leserin“, um zu konkretisieren: als „(Freizeit-)Leserin, die mit dem Lesen nicht ihren Lebensunterhalt bestreitet“. Daraus folgert sie: „Nun machen (Freizeit-)LeserInnen […] ja tatsächlich den ganzen Literaturzirkus erst möglich, habe ich gehört. Und welche Stimme haben sie? Ja, eigentlich keine halt.“ Mag alles stimmen, daraus aber die jetzt mehrfach ins Feld gefügte Aufweichung von Ausschließung abzuleiten, überzeugt nicht. Denn die Bloggerin ist nicht die Leserin, also so etwas wie ein hypostasierter Prototyp des Durchschnittslesers. Man muss sich nur ihre Rezensionsübersicht anschauen, um festzustellen, dass sich ihre Lektüren auf anspruchsvolle Gegenwartsliteratur konzentrieren. Mittelmäßigen oder gar seichten Mainstream sucht man vergeblich; aus meiner Sicht: glücklicher Weise. Und das gilt für alle anderen teilnehmenden Literaturblogger nahezu grosso modo ebenso. Aber natürlich findet dadurch eine Ausgrenzung statt, sie wird geradezu betrieben.

Und mehr noch: Da gibt es nicht nur die Separation von Höhenkamm- und weniger anspruchsvoller Unterhaltungsliteratur, sondern auch eine Trennung zwischen den Genres. Schaut man noch einmal auf die literarischen Vorlieben der bloggenden Protagonisten, so kann man prognostizieren, dass das Schubladenmanuskript eines Kriminalromans oder das einer Fantasygeschichte, mag es an sich literarisch in seinem jeweiligen Genre noch so reizvoll sein, wenig Chancen haben wird, einen Fürsprecher zu finden. Es liegt nicht auf der Welle der Bloggerpaten.

Und ein Letztes dazu, auch wenn mich dieser Aspekt am meisten angreifbar macht, weil man mir vorhalten könnte, aus der Position des Ausgeschlossenen zu argumentieren. Nicht nur der frühe spontane Eindruck, sondern auch eine genauere Recherche im Anschluss bestätigt: Diejenigen, die sich in den etablierten Literaturbetrieb einhaken, sind in hohem Maße immer die gleichen Personen. Man achte darauf, wer in diesem Jahr zu den Buchpreisbloggern zählte, wer den vom Literaturpreisbetrieb unabhängigen und in meinen Augen sehr gelungenen Buchpreisblog betreibt und mit Artikeln bedient, wer bei renommierten Verlagen wie z.B. Suhrkamp im Rahmen der sogenannten Blogger Relations im Fokus steht, so werden die Personalunionen evident. Das ist alles okay, das ist kaum zu kritiisieren. Sich aber mit dem Blogbuster-Literaturpreis dann als belächelten und ignorierten Outsider kenntlich machen zu wollen, der das bisherige Betriebssystem literarischer Distrubution in Frage stellt, ist damit nicht vereinbar.

Und so weiß ich am Ende auch, was mich stört. Nicht, dass es diesen Preis geben wird, denn ich bin durchaus gespannt, wie das Ganze sich entwickelt, sondern die Argumente, mit denen er sich im Literaturbetrieb verorten will, die sind doch recht … na, nennen wir es vorsichtig: unscharf. Aber vielleicht erklärt gerade das, warum ein Denis Scheck der Fachjury vorsitzen wird.

18 Kommentare zu „<span class="entry-title-primary">Marketing für die Schublade</span> <span class="entry-subtitle">Freundliches Unbehagen an einem Preis</span>“

  1. Lieber Peter,

    danke Dir für deinen kritischen Beitrag. Was Denis Scheck betrifft, so kann man sicherlich verschiedener Ansicht sein, dazu möchte ich mich gar nicht weiter äußern.

    Ich als Teilnehmerin betrachte mich nicht als „Outsider“ des Literaturbetriebs, insofern kann ich mir den Schuh bloß bedingt anziehen. Bisher haben Literaturblogger noch nicht in einer solchen Position an einem ähnlichen Wettbewerb teilgenommen, insofern ist es schon etwas Neues. Du schreibst ja selbst – er schlägt Brücken. Auch die teilnehmenden BloggerInnen maßen sich nicht an, letztgültig die Aufgabe von Verlagen, Agenturen und Lektoren zu übernehmen. Genau aus diesem Grund gibt es ja die, wie ich finde, gut und vielseitig besetzte Fachjury. Da verstehe ich dann die Kritik nicht ganz. Die einen bemängeln, dass es eine Fachjury gibt und die BloggerInnen sich nicht mehr zutrauen, die anderen bemängeln, dass die BloggerInnen sich offensichtlich zu viel zutrauen und bei ihren Leisten bleiben sollten. Wie man’s macht, macht man’s falsch. 😉

    Was die TeilnehmerInnen anbelangt, gebe ich dir Recht. Es kamen in diesem Jahr viele Initiativen mit den gleichen Protagonisten zusammen. Nicht sichtbar ist allerdings, dass natürlich noch weit mehr BloggerInnen angefragt wurden. Bloß wenn die sich gegen eine Teilnahme entscheiden, kann man sie nicht dazu nötigen. Sowohl Petra Lux als auch Katharina Herrmann haben bisher, nach meinen Informationen, noch nicht an ähnlichen Projekten (Buchpreisblogger etc.) teilgenommen. Und ja: erst einmal wird bloß ein Roman gesucht, Gegenwartsliteratur, kein Genre. Aber was spricht dagegen, den Preis im nächsten Jahr mit anders orientierten BloggerInnen und einem anderen Verlag zu wiederholen? Da kann es dann auch um Fantasy gehen, um Erzählungen, um Lyrik, Science-Fiction, was auch immer. Bloß, weil es jetzt eine Einschränkung gibt, bedeutet das ja nicht, dass die auf alle Zeit bestehen bleibt. Im Gegenteil, es ist ja bislang tatsächlich so geplant, dass Blogger und Verlag jährlich wechseln und damit natürlich auch die Kriterien an die eingereichten Texte.

    Weshalb sollte es nicht in heimischen Schubladen Manuskripte geben, die lesenswert sind? Die in Teilen vllt. schon in Literaturzeitschriften abgedruckt wurden, aber bislang nirgendwo im Ganzen veröffentlicht? Ich glaube kaum an die Mär, dass die, die nicht veröffentlicht werden, eben einfach nicht gut genug sind, um veröffentlicht zu werden. Wir wissen alle, dass es bekannte Autoren gibt, die mit ihren Manuskripten mehrfach abgelehnt wurden. Keine Frage, uns werden auch minderwertige Texte erwarten. Die lassen sich aber mit einer kurzen Leseprobe und dem Exposé vergleichsweise schnell aussortieren.

    Und zu guter letzt: Ja, natürlich ist das Marketing. Wie jede Rezension auch Werbung ist.

    Ich bin jedenfalls gespannt, wohin es uns führt und verspreche an dieser Stelle, dass ich nächstes Jahr weder Buchpreisbloggerin werde noch sonst irgndwo mein Gesicht allzu penetrant in die Öffentlichkeit trage.

    Herzlich,
    Sophie

    1. Dem Beitrag von Sophie kann ich im Grunde nichts hinzufügen – so und nicht anders hätte ich auch argumentiert. Zur Gänze kann ich Dein Unbehagen nicht nachvollziehen – richtet es sich gegen die Einschränkung auf Gegenwartsliteratur, richtet es sich gegen die Zusammensetzung der Jury? Das wird mir nicht recht verständlich (und auf die Scheck-Debatte will ich jetzt nicht auch noch eingehen).

      Viele Grüße, Birgit

    2. Liebe Sophie, liebe Birgit,
      ich erlaube mir, auf beide Kommentare, die in die gleiche Richtung gehen und für die ich mich sehr bedanke, zugleich zu antworten. Und das auch nur kurz: Ich will überhaupt nicht in Zweifel ziehen, dass man dieses Projekt sinnvoll realisieren kann. Erst recht kann und will ich mir kein abschließendes Urteil anmaßen. Ich wollte mir nur – und das zunächst auch nur an mich selbst gerichtet – die Frage beantworten, warum es da dieses komische Gefühl gibt, das nicht schwinden will, warum ich mich – um es etwas sentimental zu sagen – über diesen neuen Literaturpreis nicht richtig freuen kann. Und wenn mir dabei eines klar geworden ist, dann ist es der Umstand, dass das Gesamtkonzept bei mir zu viele „aber“ hinterlässt“. Jedes einzelne „aber“ wäre vielleicht zu vernachlässigen, in der Summe aber sind es dann doch zu viele. Ich hoffe, dass macht mein Unbehagen deutlicher.
      Herzliche Grüße!

  2. „Denn die Bloggerin ist nicht die Leserin, also so etwas wie ein hypostasierter Prototyp des Durchschnittslesers.“ Ich habe in meinem Blogbeitrag meine subjektive Sicht dargestellt, habe das auch mehrfach als genau das dargestellt. Ich habe meine Selbstpositionierung formuliert, die du mir absprichst – ich sehe keinen Unterschied zwischen Lesern aufgrund ihrer Lektüreauswahl, den Unterschied machst du hier auf, nicht ich. Das kannst du so machen, ich finde aber nicht fair, wenn du mir das unterschiebst bzw. behauptest, ich würde Distinktionsmaßstäbe bedienen, die eben ich selbst nicht bediene, sondern die du in meine Äußerungen und meine Person wieder hineinlegst, obwohl ich sie von mir weise. Du verschweigst auch, dass ich mehrfach in meinem Beitrag darauf hingewiesen habe, dass ich durchaus selbst das Projekt nur als „kleinen“ Schritt bezeichne, bei dem in mehrfacher Hinsicht noch Erweiterungspotential da ist. Dass du es jetzt hier so darstellst, als hätte ich in meinem Beitrag das Projekt als die Maßnahme zur Niederreißung aller Disktinktionsschranken erklärt, finde ich abermals nicht ganz fair mir und meinem Anliegen gegenüber.
    Und: Wie dir vielleicht aufgefallen ist, bin ich bisher nie in irgendeinem Projekt, das zwischen Bloggern und etabliertem Buchbetrieb besteht, aufgetreten. Insofern finde ich auch das – dass du meinen Beitrag hier so in den Fokus rückst und mich gleichzeitig pauschal in die Gruppe derer, die sowieso „immer“ bei solchen Projekten dabei sind, zählst, nicht fair mir, meinem Anliegen und meiner Positionierung gegenüber, denn damit lässt du es für mein Empfinden aussehen, als wären mein Beitrag und meine Positionierung Heuchelei oder grob unreflektiert.
    Übrigens habe ich in der Vorstellung meiner Präferenzen keineswegs Genreliteratur, sondern Liebesgeschichten und humoristische Literatur ausgeschlossen, weil das eben nicht mein Ding ist. Wenn mir jemand einen guten, gesellschaftskritischen SciFi-Roman schickt, der besser ist als andere Texte, dann scheitert es nicht daran, dass es SciFi ist. Bezüglich des Genres sind allein die Vorgaben des Verlags bindend (ja, auch das ein Zugeständnis, das dazu führt, dass es eben nur ein „kleiner“ Schritt ist), ich persönlich schließe aber nur Liebesgeschichten und Humor aus, und so viel Prioritätensetzung muss man mir schon zugestehen, auch ohne mir gleich Distinktion vorzuwerfen.
    Sorry, du kannst von dem Projekt natürlich halten, was du willst. Das steht dir frei. Aber wenn du meinen individuellen Standpunkt (der mit dem der anderen u.U. nichts zu tun hat, ich habe mich – wie ich auch im Beitrag geschrieben habe – nicht mit den anderen beteiligten Bloggern darüber ausgetauscht) zum einen als Stellungname des Projektes an sich nimmst, um nachzuweisen, dass das Projekt dem eigenen Ziel nicht gerecht wird – dabei sind es MEINE Ziele, nicht die des Projekts und du kannst nicht, indem du meine Ziele zu denen des Projekts erklärst, nachweisen, dass das Projekt seine Ziele nicht erfüllt – und dass du mich hier undifferenziert in irgendwelche Töpfe wirfst („ist immer dabei“, „schließt Genre aus“), um zu zeigen, warum MEIN Anliegen nicht funktioniert, das find ich nicht fair. Und ich lasse mir auch nicht absprechen, dass mir die Auflösung von Distinktionsstrukturen ein Anliegen ist, nur weil ich selbst die Bücher lese, die ich lese. Ich habe nicht behauptet, dass ich mich damit abgrenzen will, ich lese einfach nur, was mich interessiert – auch wenn du mir das absprechen willst. Ich habe im August aus beruflichen Gründen (weswegen ich darüber auch nicht auf meinem Blog schreiben konnte) sowohl alle Bände von „Die Tribute von Panem“ und „1984“ gelesen, und habe ersteres lieber gelesen als letzteres.
    Bitte kritisiere entweder das Verfehlen meines Anliegens ausgehend von meinem Verhalten oder aber kritisiere das Projekt – aber schiebe mir nicht Dinge unter, die ich nicht gesagt/getan habe, und schiebe dem Projekt im Generellen keine Ziele unter, die nur meine sind und an denen die anderen beteiligten Blogger deswegen fairerweise nicht gemessen werden dürfen.

    1. Danke für deinen Kommentar. Dein Beitrag, auf den ich mich in meinen Überlegungen beziehe, war für mich zur Klärung meiner eigenen Gedanken neben dem FB-Post von Stefan Mesch ein wichtiger und dankenswerter Ausgangspunkt; nicht weniger, aber – sorry – auch nicht mehr. Er war vor allem aber nicht der Fluchtpunkt meiner Überlegungen, als den du ihn offenbar gelesen hast. Mein Beitrag spricht dir mitnichten das Recht zur „Selbstpositionierung“ ab, ganz im Gegenteil, denn er nimmt es für sich selbst in Anspruch. Insofern aber drängt sich die Frage auf, ob du dir selbst nicht eine Argumentationsperspektive – und zwar zurecht – zubilligst, die du zugleich mir absprichst. Darüber könnte man vor dem Hintergrund von Fairneß auch nachdenken. Aber ich glaube in der Tat, das das eine müßige Diskussion würde, die nichts bringt.

      1. Du kannst dich positionieren, wie du willst, aber du darfst nicht, ohne dafür von mir kritisiert zu werden, mir etwas unterstellen oder aber meinen Artikel als Stellungnahme aller Blogger lesen, so wie du es getan hast. Denn damit misst du die anderen Blogger an etwas, an dem sie vermutlich nicht gemessen werden wollen, und damit ziehst du Rückschlüsse auf mich von den anderen, die nicht zutreffen. Und sorry: Du hast hier einen Beitrag veröffentlicht, in dem du mich und meinen Beitrag schon fokussierst und mit dem Verhalten anderer Blogger widerlegst, somit mich eben, wie ich schon schrieb, entweder als Heuchlerin oder als stark unreflektiert dastehen lässt, obwohl du mir Dinge zuordnest um mich zu widerlegen, die ich nicht geschrieben oder getan habe. Du kannst schon beleidigt sein, dass ich das echt nicht gelungen finde, und wenns dich tröstet: Ich fand deinen Beitrag halt auch nicht so super.

  3. Weshalb eigentlich die ganze Fragerei danach, ob es noch einen Preis geben muss oder nicht? Da haben sich Menschen etwas ausgedacht: Sie möchten Autoren, die bisher noch keinen Verlagsvertrag haben, aus welchen Gründen auch immer das so ist, zu einem solchen verhelfen. Dass das Ganze medial aufbereitet wird, liegt an unserer Medien-Landschaft.
    Was ich mich tatsächlich frage ist: Weshalb bitte geht man davon aus, dass bei einem solchen Unternehmen schlechtere Beitrage eingeschickt werden, als über die „gängigen“ Kanäle? Das ist den Menschen , die sich lange Zeit mit Schreiben beschäftigt haben, gegenüber respektlos – ebenso respektlos, wie den Menschen gegenüber, die sich dafür einsetzen wollen, dass Autoren Anerkennung für ihr Tun finden. In diesem Fall kein Geld, sondern einen Verlagsvertrag. Gefiltert durch zwei Ebenen. Ebene eins: Blogger, Ebene zwei: Jury.
    Wie Sophie Weigand schreibt: es sind nicht alles schlechte Geschichten, die abgelehnt werden. Denn auch Lektoren in Verlagen sind Menschen, die subjektiv lesen. Wie wir alle. Da kann eine gute Geschichte schon auch mal durchfallen … auch öfter.
    Natürlich darf man Bedenken haben, die man auch äußern darf, zumal wenn sie so differenziert vorgetragen werden. Das will ich nicht bestreiten. Aber warum lassen wir nicht einmal etwas auf uns zukommen und sehen, was daraus wird?
    In diesem Sinne – Viele Grüße,
    Bri

    1. Danke für deine Stellungnahme. Ich habe in meiner Antwort auf Sophie und Birgit dazu schon Stellung genommen und will deshalb hier nur kurz wiederholen, dass mir nichts ferner liegt als mich hinzustellen und zu sagen: „Lasst den Quatsch.“ Was wäre das für eine Anmaßung!
      Viele Grüße!

  4. Sehr gute Argumentation.
    Vielleicht spreche ich ebenfalls aus der Sicht der „Ausgeschlossenen“, aber auch mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass ich bei diversen Aktionen, Preisen etc. immer wieder dieselben Namen derselben BloggerInnen lese. Dem Literaturbetrieb in Deutschland wird ja oft vorgeworfen, dass er sich um sich selbst dreht. Ich glaube, ein Stück weit kann man das mittlerweile auch auf die deutsche Literaturblogwelt übertragen. Irgendwie schade…

    1. Genau, das sehe ich ähnlich. Da bahnt sich eine Entwicklung an, die man durchaus bedauern kann.
      Vielen Dank für deinen Kommentar und herzliche Grüße!

  5. Man muß den Preis als das nehmen, was er ist: der (legitime) Versuch eines Verlages, eine gewisse Aufmerksamkeit zu erzeugen und unbekannte bzw. neue Autoren zu finden. Als Idee nicht dumm. Das spart zudem den Lektor im Haus. (Davon ab, daß ich bei vielen Verlagen mittlerweile bezweifle, ob es dort lesende Lektoren gibt und ob es von den Themen nicht vielmehr darum geht, marktgängige Literatur zu produzieren. Zum Markte drängt’s, am Markte hängt’s. Weshalb das Lektorat in vielen Fällen eben eine Marketing-Abteilung ist.)

    Mich als Kultur-Blogger interessiert das Projekt nur am Rande, sozusagen als soziales Phänomen, aber man sollte es mit offenem Sinn betrachten und wie allem Neuen eine Chance geben: Es zählt am Ende das, was rauskommt. Vielleicht ist es etwas Gutes. Und am Ende macht bei der Fülle an Literaturpreisen einer mehr oder weniger den Kohl nicht fett.

    Für Absolut Beginners kann es eine Chance bedeuten. Warum also nicht? Man muß abwarten, wie sich dieses Projekt entwickelt. Wobei ich einige Deiner Abers nachvollziehen kann. Es sind die Überlegungen mit Bedacht ausgeführt, ohne bedächtig zu sein.

    „Des Weiteren würde ich mir trotz meiner literarisch geprägten Berufsbiographie nicht anmaßen wollen, die Aufgabe eines Gutachters, Agenten oder Lektors angemessen übernehmen zu können. In diesem Zusammenhang fällt mir da eher Schusters Leisten ein.“

    Das sehe ich ähnlich. Andererseits kann bei all der Sommerhauspäterraketenangeldenhalsfraugitarrenvordemfestliteratur so viel dann auch wieder nicht schief gehen. Die großen Literaturdebatten und ästhetische Dispute sind vorbei, die Literatur ist plural geworden, wenngleich eingeschworen auf einen oft biederen Realismus, für jeden ist was dabei, gut ist, was gefällt und sich verkauft. Sperriges, gar ästhetisch Avanciertes in der Form hat es schwer. Wer heute einen Text wie „Finnegans Wake“ oder „Der Mann ohne Eigenschaften“ beim Lektor abgäbe, ginge wohl als Spinner durch. Tatsächlich in der Qualität sichtend sich mit Literatur zu beschäftigen, setzt zudem nicht bloß einen ausgebildeten Geschmack (übrigens geschult vor allem an den oft verschmähten Klassikern) und Gespür für Sprache voraus, sondern ebenso, daß unterschiedliche ästhetische Theorien gewußt würden. Werden sie aber oft nicht. Der kluge Literaturkritiker Hubert Winkels wies darauf in einem seiner Bücher mal hin. Kein schlechter Einwand, wie ich fand.

    Frei nach Foucaults Idee, ein Jahr ohne Autorennamen einzuführen, wäre ich übrigens dafür: daß bei Verlagen, bei Bachmann und bei Preisen nur die Texte eingereicht würden. Ohne Name, ohne Geschlecht, ohne Nationalität. (Aber am Marketinggedanken würde auch das nichts ändern: ins Programm kommt, was sich verkauft und das herrschende Schema bedient.)

    Aber egal wie: warten wir ab, was bei diesem Preis geschieht. Zumindest ist es vom Marketing her ein kluger Zug sich Denis Scheck ins Boot zu holen. Das nötigt von der merkantilen Orga genommen Respekt ab.

  6. Hallo Peter,

    Blogbuster hätte nie das Licht der Welt erblickt, wenn wir keinen Verlag gefunden hätten, der die Idee gut findet und Vertrauen hat, das der Wettbewerb auch professionell umgesetzt wird. Wenn ich Klett-Cotta gänzlich unbekannte Namen und Blogs präsentiert hätte, wären sie sicherlich nicht mit eingestiegen. Mit der aktuellen Mischung aus erfahrenen, reichweitenstarken Blogs und Bloggern, die nicht zu den üblichen Verdächtigen gehören, wie Mareike, Tabhita, Gerrit, Sarah, Petra, Katharina und Ilja , konnten wir aber die Partner, die für die Realisation dieses Projektes wichtig sind, überzeugen.

    Ich finde, dass wir eine spannende Gruppe an Blogs zusammenbekommen haben und bin sicher, das wir mit diesem Team zeigen können, dass wir der Aufgabe gewachsen sind.

    Vielleicht hast Du im nächsten Jahr ja auch Lust mitzumachen.

    Liebe Grüße
    Tobias

  7. Vielen Dank, Tobias, für deinen Kommentar und deine erläuternden Anmerkungen.
    Nicht zuletzt aufgrund der Plausibilität deiner Ausführungen, ist dem nicht viel hinzuzufügen. Ich möchte nur auf einen Aspekt hinweisen, der sich in der Diskussion um meinen Beitrag wie ein roter Faden zieht. Darin habe ich von auffallenden Personalunionen gesprochen, die an der Schnittstelle zwischen Literaturbetrieb und Literaturbloggern gerade in den letzten Monaten deutlich wurden. Diese Aussage war kein Vorwurf (!!!), sondern eine Feststellung. Vielleicht habe ich den Fehler gemacht, sie nicht detailliert genug ausgeführt zu haben. Ich befürchtete allerdings, dass der ohnehin schon lange Beitrag dadurch auf unnötige Weise noch länger geworden wäre. Ohnehin muss man nur den Verlinkungen folgen, um die Evidenz dieses Eindrucks nachvollziehen zu können. Wenn nun aber hier in den Kommentaren oder auf Facebook die eine oder der andere meint darauf insitieren zu müssen, dass dieser Umstand gerade auf sie oder auf ihn nicht zutrifft, so ist das im Einzelfall richtig, widerlegt aber nicht die Aussage. Das nicht sehen zu wollen, konsterniert mich.
    Es ist mir schon fast peinlich, immer wieder wiederholen zu müssen, dass ich dem Projekt viel Erfolg wünsche. Ich tu es aber gerne.
    Nochmals Dank und viele Grüße!

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