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Saša Stanišiċ: Fallensteller

Vielen Schriftstellern begegnet man derzeit nicht, die behaupten können, sie fänden mit ihrer Arbeit umfassende oder zumindest sehr, sehr weitreichende allgemeine Zustimmung. Daniel Kehlmann schien vor Jahren einmal everybody’s darling werden zu können, doch die Zeiten sind vorbei. Ganz unbeteiligt war er an dieser Entwicklung nicht; unglücklich ist er darüber wohl auch nicht. Saša Stanišić ist einer der wenigen deutschsprachigen Autoren, vielleicht der einzige, bei dem das anders ist.

Schon mit seinem Debütroman Wie der Soldat das Grammophon repariert stand er 2006 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, 2014 bekam er für seinen zweiten Roman Vor dem Fest den Preis der Leipziger Buchmesse, sein in diesem Jahr erschienener Erzählungsband Fallensteller ist auch schon vielfach bepreist, eignete sich wohl nur aufgrund des Umstands, dass es eben kein Roman ist, nicht für die großen Literaturevents und Ihrer öfffentlichkeitswirksamen Preise in Leipzig oder Frankfurt. Preise, Ehrungen, Lob allerorten, und zwar nahezu einhellig. Die Resonanz ist so groß, dass man augenzwinkernd eine Rezension als „Kritiche“, eine  Collage nur aus Besprechungszitaten, schreiben kann. Ein schöner Text!

Bei so viel konsensualer Zustimmung traut man es sich fast gar nicht mehr zu sagen: Mit den beiden Romanen konnte ich nicht viel anfangen. Sie waren mir zu maniriert, zu sprachpusselig, thematisch ohne Anreiz, kurz: sie erreichten mich nicht. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ihre literarische Qualität stelle ich nicht in Frage. Das tue ich bei der Prosa eines Uwe Johnson, eines Arno Schmidt, eines Alfred Döblin oder Franz Kafka, um mal die Vergleichslatte ganz hoch zu legen, auch nicht. Aber auch für deren Romane finde ich bei mir keinen angemessenen Eingangskanal. Mag sein also, das Problem bin einmal mehr ich selbst.

So schlich ich doch geraume Zeit um die Erzählungen Stanišićs herum, wusste nicht so recht, ob ich es noch einmal versuchen sollte, tat es schließlich doch (nicht zuletzt, auch das sei der Vollständigkeit halber angemerkt, weil der Luchterhand Verlag mir ein Leseexemplar zur Verfügung stellte) und muss gestehen: auch diese Texte bleiben mir fast alle auf eine gleichgültige Art fremd.

Der Band versammelt zwölf Erzählungen, die im letzten Jahrzehnt zum Teil auch schon anderweitig veröffentlich worden waren, für das vorliegende Buch wohl auch noch einmal überarbeitet wurden. Die längste und dem Band den Titel gebende Erzählung „Fallensteller“ umfasst rund 90 Druckseiten. Sie schließt sich an den dem Stanišić-Leser schon bekannten Roman Vor dem Fest an und führt den Leser in das vertraute uckermärkische Dorf, wo eben dieser Fallensteller auftaucht und sich anschickt, das Dorf von einer Wildplage zu befreien. Anders als der Rattenfänger, den man vielleicht vermuten würde, richtet er in dem Dorf manch Gutes an, fast wie in einem Märchen.

Zwei weitere Erzähltextblöcke aus jeweils drei Texten gehören inhaltlich-.thematisch zusammen. Drei Erzählungen kreisen um den Justiar Horvath oder Horwath. Die Schreibweise variiert, und eigentlich ist es schnell klar, dass es sich um eine Verwechselung handelt. Warum mit diesem Umstand kokett gespielt wird, hat sich mir nicht erschlossen. Gleichwohl erscheinen mir diese Erzählungen doch als die noch interessanteren. Denn dieser Justiar gerät auf einer Geschäftsreise nach Brasilien in eine Art Sprachkrise. Der Landessprache nicht mächtig zerfallen ihm selbst scheinbar harmlose Wörter wie zum Beispiel „Sandalen“. Er erinnert sich zugleich an einen Aufenthalt in einem Bukarester Kongresshotel, wo er sich plötzlich Formulierungen wie „grosteskul“ oder „kafkaeskul“ ausgesetzt sah, deren Wirklichkeitsbezug er suchen muss. Das wirkt durchaus amüsant und ist lesenswert. Spannend wird der Text aber dadurch, dass sich ihm Kafkas Parabel „Der Aufbruch“ als Prätext unterschiebt und Dimensionen des Bodenlosen noch stärker ins Bewusstsein rückt.

Zugegebenermaßen gar nichts anfangen konnte ich mit den drei Erzählungen, in denen ein Ich-Erzähler mit seinem Freund Mo unterwegs ist und sich dabei in unterschiedlichen subkulturellen Milieus bewegt. Das soll satirisch daher kommen, mag es vielleicht sogar auch tatsächlich sein, aber eine Anhäufung von Sätzen wie „Ich kenne Mo seit unserer Hausgeburt und musste dennoch mehrmals emotional blinzeln, um seine Metamorphose intellektuell verwalten zu können“ gehen mir ziemlich schnell auf die Nerven.

Am besten gefallen hat mir die Erzählung „Im Ferienlager im Wald“, die zunächst die ganzen Klischees solcher Ferienlager satirisch aufs Korn nimmt, das aber aus dem Blickwinkel eines jugendlichen Erzählers. Es ist eine wunderbare Parabel auf die Fähigkeit zum Nein-Sagen, die hoffentlich nicht zu lange braucht, um Einzug in die Schulbücher zu halten.

Und der Rest – na ja. Ich fürchte, das mit der Literatur von Saša Stanišić und mir, das wird auf absehbare Zeit nichts werden. Fremdheit zu überwinden, ist eine Tugend, ich weiß. Aber vielleicht steckt auch ein Wert darin, wenn man sich erst einmal fremd bleibt und sich darin akzeptiert. Damit kann man, so denke ich, leben.


Saša Stanišić: Fallensteller.Erzählungen. – München: Luchterhand Literaturverlag 2016 (19,99 €)