Dörte Hansen: Mittagsstunde

Hansen, Mittagsstunde

Dörte Hansens „Mittagsstunde“ bildet in gewisser Weise einen symptomatischen Ausgang aus meinem Lesejahr 2018. Denn blicke ich zurück auf die wahrgenommenen Neuerscheinungen des vergangenen Jahres, so stellt sich der Eindruck ein, es seien doch eine ganze Reihe (zu viele?) Bücher dabei gewesen, die ich nicht einmal ungern gelesen habe, die sich im Gedächtnis aber kaum bis gar nicht verhakt haben. Dazu wird, so viel kann man jetzt schon sagen, auch die „Mittagsstunde“ gehören.

Henning Mankell: Der Sprengmeister (1973) / Der Sandmaler (1974)

Mankell, Sprengmeister-Sandmaler

Man muss nicht jeden Notizzettel eines Schriftstellers veröffentlichen, sei er auch noch so bekannt und bedeutend. Erst recht bedarf es nur ganz, ganz selten der Einordnung solcher Notate in das literarische Oeuvre eines Autors. Denn ein solches Unterfangen nimmt manchmal merkwürdige, ja skurrile Züge an. Bemüht sich aber ein Verlag darum, das literarische Werk eines … Weiterlesen

Günter de Bruyn: Der neunzigste Geburtstag

de Bruyn, 90. Geburtstag

Als Günter de Bruyn seinen letzten Roman Neue Herrlichkeit veröffentlichte, existierte die DDR noch. Michail Gorbatschow war noch nicht einmal Generalsekretär der KPdSU, von Glasnost und Perestroika keine Spur. Darauf musste man 1984, als das Buch zunächst nur in der (alten) Bundesrepublik erschien, noch ein Jahr warten. Dass aber der Roman ein Jahr später auch … Weiterlesen

Alex Capus: Königskinder

Capus, Königskinder

Wie kalt ist es in einem Toyota Corolla, der auf einem Gebirgspass in der Schweiz, genauer gesagt auf dem Jaunpass, bei einem überraschenden Wettersturz eingeschneit wird? Der Wagen ist, glücklicherweise auf der Bergseite, auf schneeiger Fahrbahn in den Graben gerutscht, an ein Weiterfahren ist nicht zu denken. Man wird die Nacht im Wagen verbringen müssen. … Weiterlesen

Michael Krüger: Vorübergehende

Michael Krüger, Vorübergehende

Vorübergehende sind Mitmenschen auf Distanz. Sie kommen, aber sie kommen nicht auf dich zu. Sie gehen nicht nur, sie verschwinden. Vorübergehende sind Flüchtige, auftauchend für Momente, danach wieder weg – meistens ohne Nachhall. Das gilt auch für Vorübergehendes, für Plätze, Orte, Landschaften. Nur, dass du in Bewegung bist, und nicht das, was vorübergeht. Willst du … Weiterlesen

Stephan Thome: Gott der Barbaren

Thome, Gott der Barbaren

Eingeständnis Keine Ahnung!Noch nie etwas vom Zweiten Opiumkrieg gehört?Ja,  doch, vage, äußerst vage. Ein Konflikt, ich glaube oder vermute, zwischen China und Großbritannien, irgendwann im 19. Jahrhundert.Ja, Großbritannien wohl. Denn wer tummelte sich sonst in dieser Zeitmit Kolonialambitionen in Ostasien? Wahrscheinlich ging es umden Zugang zum Opium, wozu auch immer man das zu brauchenglaubte.Eine genauere … Weiterlesen

Christoph Hein: Verwirrnis

Hein, Verwirrnis

Verwirrnis ist ein Wort, das der Duden nicht verzeichnet. Eine Neuschöpfung also, so könnte man annehmen und sich über den scheinbaren Manierismus wundern. Warum nicht schlicht „Verwirrung“? Neu ist der Begriff aber nicht, im Gegenteil. Denn das Grimmsche Wörterbuch verzeichnet ihn noch, wenn auch nur mit einigen wenigen und außerdem sehr alten Belegstellen. Demnach ist … Weiterlesen

George Saunders; Lincoln im Bardo

Saunders, Lincoln im Bardo

Totenstimmen, schon wieder? Wäre es kurz nach der Lektüre von Robert Seethalers Das Feld jetzt nicht erst einmal genug mit dem, was uns aus dem Nicht-mehr als ein Immer-noch beschäftigt und manchmal auch bedrängt? Aber nach der großen Resonanz, die der Roman nach seinem Erscheinen erfahren hat, nach den zahlreichen zustimmenden, ja schon begeisterten Reaktionen … Weiterlesen

Assaf Gavron: Achtzehn Hiebe

Gavron, Achtzehn Hiebe

In Tel Aviv hat es einen Anschlag mit Toten und Verletzten gegeben. Relativ schnell werden die Attentäter gefasst und vor Gericht gestellt. Die Urheberschaft für den Anschlag wird ihnen nachgewiesen; sie werden zum Tode verurteilt. Einer der Attentäter, so stellt sich heraus, ist allerdings minderjährig so dass die Rechtslage es verbietet, die grausige Höchststrafe an … Weiterlesen

Robert Seethaler: Das Feld

Seethaler, Das Feld

Die meisten von uns haben sie bestimmt schon einmal gesehen und bewusst wahrgenommen. Mag sogar sein, man war eine oder einer von ihnen, von jenen Friedhofsbesuchern, die man auf einer der Bänke antrifft. Manche von ihnen wollen gar nicht angetroffen werden, sie möchten dort sitzen und ín Ruhe gelassen werden. Sie wollen alleine sein, sei … Weiterlesen

Ralf Rothmann: Der Gott jenes Sommers

Rothmann, Gott jenes Sommers

I Lesen weckt Vorstellungen, erzeugt Assoziationen und Gedanken, die dann auch wegvagabundieren können vom Gelesenen, sich in ein freies Feld bewegen der eigenen Erlebnisse, Erfahrungen und Einsichten. Gleichgültig, ob sie nun haltbar sind oder nicht. Im Schreiben aber über das Gelesene muss das Herumstreunen wieder gebändigt werden, damit das Geschriebene lesbar bleibt. Das geschieht mit … Weiterlesen

Katrine Engberg: Krokodilwächter

Engberg, Krokodilwächter

Es muss sein, immer noch und immer wieder. Wenn auch in unregelmäßigen Abständen, doch zuverlässig kommt sie hoch, die Lust, einen Kriminalroman zu lesen. Die Erwartung, die dabei entsteht, ist in sich widersprüchlich. Man erhofft sich leichtere Lesekost, das wenn möglich aber bitte als Haute Cuisine. Man möchte sich in der Spannung verlieren können, aber … Weiterlesen

Andreas Dury: Der Chor der Zwölf

Dury, Chor der Zwölf

Ob der Grundgedanke, dem das im Roman geschilderte KAIRA-Projekt zugrunde liegt, physikalisch und informationstechnologisch einen Machbarkeitskern enthält, mag nur jemand letztgültig beurteilen, der die notwendige Sachkenntnis mitbringt. Zu dieser Personengruppe gehöre ich nicht. Bestechend und faszinierend zugleich erscheint die Grundidee jedoch allemal. In den letzten rund 100 Jahren hätten die Menschen eine Art neuer Atmosphäre … Weiterlesen