Was bleibt, was liegen blieb 2016 Erinnerungsbericht zu Bewahrtem, Liegengebliebenem und Weggelegtem

Liegengebliebenes 2016

Es ist immer wieder eine eigentümliche Mischung aus Neugier und aus Erstaunen, die mich befällt, wenn ich Rückblicke auf das Lesejahr 2016 lese. Da ist zunächst alle Jahre wieder die ebenso bewundernde wie zweifelnde Wahrnehmung, was da von Bloggern im Laufe des Jahres allein mengenmäßig weggelesen worden ist. Herr Booknerd hat dazu, während dieser Beitrag … Weiterlesen

Saša Stanišiċ: Fallensteller

Sasa Stanisic, Fallensteller

Vielen Schriftstellern begegnet man derzeit nicht, die behaupten können, sie fänden mit ihrer Arbeit umfassende oder zumindest sehr, sehr weitreichende allgemeine Zustimmung. Daniel Kehlmann schien vor Jahren einmal everybody’s darling werden zu können, doch die Zeiten sind vorbei. Ganz unbeteiligt war er an dieser Entwicklung nicht; unglücklich ist er darüber wohl auch nicht. Saša Stanišić … Weiterlesen

Adriaan van Dis: Das verborgene Leben meiner Mutter

Adriaan van Dis

Eigene Lebenszusammenhänge anzudeuten und damit in Beiträgen zu argumentieren, geht immer ein Zögern voraus, eine Verunsicherung, ob man das, was man indirekt über sich selbst sagt, auch wirklich öffentlich machen will. Wenn ich über Adriaan van Dis schreibe oder genauer: über die beiden Romane von ihm, die ich kenne, dann liegen solche persönlichen Zusammenhänge aber … Weiterlesen

Ian McEwan: Nussschale

McEwan, Nussschale

Ein Embryo als bürgerlicher Intellektueller? Oder doch eher ein bürgerlicher Intellektueller als Embryo? In einem Punkt lässt der Ich-Erzähler überhaupt keinen Zweifel: Er sieht sich in der Nachfolge Hamlets, des Dänenprinzen. Schon das Motto des Romans, in dem McEwan aus dem Shakespeare-Drama zitiert, lässt daran keine Zweifel: Oh Gott, ich könnte in eine Nussschale eingesperrt … Weiterlesen

Daniel Kehlmann: Du hättest gehen sollen

Kehlmann, Du hättest gehen sollen

Kehlmanns kurze Erzählung Du hättest gehen sollen hat, glaubt man der Paginierung, 95 Seiten. Der Text endet aber schon vier Seiten vorher mit der dritten Zeile: „Und dabei bin ich erst ganz am“. „Anfang“ wollte der Ich-Erzähler wohl noch in sein Notizbuch schreiben, ist aber nicht dazu gekommen, warum auch immer. Man ist erleichtert als … Weiterlesen

Eugen Ruge: Follower

Eugen Ruge: Follower

1975 war ich vierzehn Jahre alt. SIcherlich beseelt von einigen pubertären Verblendungen, die ich ziemlich erfolgreich verdrängt habe. Aber ich bilde mir ein, mich doch einigermaßen wach durch die sich immer mehr erweiternden Weltläufte bewegt und von dem, was mich umgab, doch das Eine oder Andere mitbekommen zu haben. Ich erinnere mich nicht nur daran, … Weiterlesen

Jonas Karlsson: Das Zimmer

Jonas Karlsson: Das Zimmer

Josef K. lebt. Er wohnt in Stockholm und arbeitet in einer Behörde, irgendwo im vierten Stock eines offenschtlich tristen Verwaltungsgebäudes aus rotem Backstein. Er ist, wie man es von Josef K. erwartet, fleißig, sorgfältig, genau. Er hat, wer will es ihm verübeln, Aufstiegsambitionen. Er ist nicht gewillt, alles mit sich machen zu lassen, nein, er … Weiterlesen

John Williams: Augustus

John WIlliams: Augustus

Der Dichter denkt über das Chaos der Erfahrung nach, über die Konfusion des Zufalls, die unfassbaren Bereiche des Möglichen – womit nichts anderes gesagt ist, als dass er über die Welt nachdenkt, in der wir alle leben, die zu untersuchen sich aber nur wenige die Mühe machen. Früchte ihres Sinnierens sind die Entdeckung oder Erfindung … Weiterlesen

Henning Mankell: Die schwedischen Gummistiefel

Henning Mankell, Die schwedischen Gummistiefel

Es gibt noch einige nicht ins Deutsche übersetzte Texte von Henning Mankell – vor allem Dramen, Jugendbücher und einige wenige Romane -, denen sich der Zsolnay Verlag hoffentlich noch annehmen wird. Aber seinen definitiv letzten Roman zu lesen, den Mankell vor seinem Tod noch fertigstellen und veröffentlichen konnte, ist an sich schon ein trauriges Unterfangen. … Weiterlesen

Michael Krüger: Der Gott hinter dem Fenster

Michael Krüger, Der Gott hinter dem Fenster

Immer soll es eine Antwort geben am Ende des Lebens, aber es gibt keine. Es ist eine kleinbürgerliche Vorstellung, dass sich etwas vollenden solle, ein feines Kneifen vor der Macht des Zufalls. „Nein, du irrst“, mag man dem Ich-Erzähler aus der Erzählung Für immer entgegenhalten. „Du irrst, wenn du glaubst, es sei eine kleinbürgerliche Vorstellung. … Weiterlesen

Sylvie Schenk: Schnell, dein Leben

Schenk: Schnell, dein Leben

Ein merkwürdiger Romantitel. Er spricht jemanden direkt an, ohne dass man wissen könnte, wen. Vielleicht sogar den Leser selbst? Er fordert auf, ohne zu sagen, wozu. Zum Zuhören? Zum Erzählen? Zum Eingreifen? Zum Hintersichlassen? Gewiss ist nur, dass es, was auch immer, schnell gehen soll. Dabei nimmt der Titel ein wesentliches erzählerisches Merkmal des Romans … Weiterlesen

Friedrich Christian Delius: Die Liebesgeschichtenerzählerin

liebesgeschichtenerzählerin

Eine Binsenweisheit: Man liest nie voraussetzungslos. Auszuschließen ist deshalb auch nicht, dass derlei Voraussetzungen im wesentlichen Maße nicht nur den Eindruck, sondern auch das Urteil über das Gelesene prägen. Das gilt natürlich ebenso für jene Voraussetzungen, die man nicht hat und die deshalb andere Voraussetzungen generieren. Warum sagt er das? Nun ja, verfolgt man die … Weiterlesen

Friedrich Ani: Nackter Mann, der brennt

Die Beschäftigung mit Verschwundenen – das ist, um es etwas flappsig auszudrücken, Friedrich Anis Ding. Er versteht es, daraus ebenso anspruchsvolle wie spannende Kriminalhandlungen zu entwickeln und zugleich zerrüttete Lebenszusammenhänge und gesellschaftliche Fehlentwicklungen ins Tageslicht zu rücken. So, dass man hinschauen kann, ja hinschauen muss. Ein solch Verschwundener ist auch Ludwig Dragomir. Das Besondere und … Weiterlesen

Joakim Zander: Der Bruder

Zander, Der Bruder

Der Berliner Literaturwissenschaftler und Publizist Walter Delabar schilderte kürzlich die Beobachtung, dass das Krimi-Genre von einer „Empfehlungswelle“ geradezu überschwenmmt werde, während eine, auch den Verriss nicht scheuende Literaturkritik weitgehend fehle. Leseempfehlungen würden begründet mit aktueller gesellschaftlicher und politischer Relevanz; stilistische und konzeptionelle Mängel blieben dem gegenüber unerwähnt oder unberücksichtigt. Joakim Zanders neuer Roman Der Bruder, … Weiterlesen

Juli Zeh: Unterleuten

Zeh, Unterleuten

Im Regelfall bin ich nicht verlegen, eine eindeutige Gefallensäußerung oder ein Urteil über einen literarischen Text zu formulieren. Bei Juli Zehs Unterleuten tue ich mich aber, das muss ich gestehen, schwer. Ob dieses Zögern auch etwas mit dem Umstand zu tun hat, dass ich vier Wochen benötigte, um den Roman zu Ende zu lesen? Es … Weiterlesen