2017 im Rückspiegel Ein paar Gedankensplitter

Rückspiegel 2017

Schau ich auf die zahlreichen Beiträge, die sich in den letzten Tagen mit der Rückschau auf das Lesejahr 2017 beschäftigen, dann könnte ich zu dem Schluss kommen, die falschen Bücher gelesen zu haben. Denn mit einer Top Ten-, Top Eight-, Top Six- oder auch nur Top Five-Liste jener Bücher, von denen man annimmt, sie blieben in besonderer Weise haften, kann ich nicht dienen.… Zum Weiterlesen

Beka Adamaschwili: Bestseller

Adamaschwili, Bestseller

Zugegeben, ein Ballistiker bin ich nicht. Aber wenn ich mir vorstelle, ein menschlicher Körper falle von der höchsten Aussichtsplattform des derzeit höchsten Gebäudes der Welt, also vom 148. Stockwerk des Burj Khalifa, in die Tiefe – vorausgesetzt überhaupt, dass das geht -, so kann ich mir keine Flugkurve vorstellen, die dazu führt, dass dieser Körper an einer Kreuzung unten am Gebäude auf’s Straßenpflaster schlägt.… Zum Weiterlesen

Knecht Ruprechts frohe Weihnacht Über die Rätselhaftigkeit eines Klassikers

Knecht Ruprecht

Knecht Ruprecht

Von drauß’ vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkind hervor,
Und wie ich so strolcht’ durch den finstern Tann,
Da rief’s mich mit heller Stimme an:
„Knecht Ruprecht“, rief es, „alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
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Heinrich Böll: Und sagte kein einziges Wort

Böll, Und sagte ...

Am 21. Dezember jährt sich zum 100. Mal Heinrich Bölls Geburtstag. Grund genug, sich noch einmal mit ihm zu beschäftigen. Es sollte dabei ein mir bis dahin unbekannter Roman von ihm werden, den ich neu kennenlernen wollte. So hoffte ich, der Antwort auf die Frage ein Stück näher zu kommen, was er, Böll, mir heute noch sagen könne.… Zum Weiterlesen

Uwe Timm: Ikarien

Timm, Ikarien

Ab und an stellt sich schon während des Lesens eines Buches der erste Satz ein, mit dem ich den Blogbeitrag beginnen möchte. Und wenn das geschieht, hat häufig dieser Satz auch noch Bestand, wenn ich mit dem Schreiben beginne, meistens sogar auch noch, wenn der Beitrag fertig ist. Dass sich aber beim Lesen der letzte Satz, der, auf den es am Ende hinausläuft, einstellt, geschah bisher, insofern ich nichts vergessen habe, nie.… Zum Weiterlesen

Juli Zeh: Leere Herzen

Zeh, Leere Herzen

»Zyniker sind nicht dumm, und sie sehen durchaus hin und wieder das Nichts, zu dem alles führt. Ihr seelischer Apparat ist inzwischen elastisch genug, um den Dauerzweifel am eigenen Treiben als Überlebensfaktor in sich einzubauen. Sie wissen, was sie tun, aber sie tun es, weil Sachzwänge und Selbsterhaltungstriebe auf kurze Sicht dieselbe Sprache sprechen und ihnen sagen, es müsse sein.… Zum Weiterlesen

Jan Costin Wagner: Sakari lernt, durch Wände zu gehen

Jan Costin Wagner, Sakari

Heiß ist es in diesem Sommer in Turku an der Südwestküste Finnlands. Ein junger Mann legt seine Kleidung ab und steigt in einen Brunnen, mitten in der Stadt, unmittelbar bei einem großen Einkaufszentrum. Er hat ein Messer bei sich. Beim Polizeieinsatz geht etwas schief. Einer der beteiligten Polizisten, Petri Grönholm, steigt in den Brunnen, um den offensichtlich verwirrten jungen Mann zu beruhigen.… Zum Weiterlesen

zum Vorlesetag 2017: Das Totenhemdchen Ein Märchen der Brüder Grimm

Vorlesetag 2017

Lesen und Vorlesen

Egal, wie oft oder wie regelmäßig es geschieht, dem selbstständigen Lesen, dem Moment, in dem es gelingt, sich ganz zurückzuziehen aus dem Hier und Jetzt und sich in ein Wechselspiel mit einem Buch zu begeben, ist doch immer das Vorlesen vorgelagert. Oder hat jemand davon gehört, dass man zum Leseenthusiasten geworden sei ohne das Zutun einer anderen Person, die vorgelesen hat?… Zum Weiterlesen

John Williams: Nichts als die Nacht

John Williams, Nichts als die Nacht
Wie beginnen?

„Irgendwann denkt man fast zwangsläufig an ihn, an den Typus des Flaneurs.“ So sollte in einer ersten Fassung mein Beitrag zu Nichts als die Nacht anfangen. Aber der Satz ist vermessener Quatsch. „Man“ muss überhaupt nicht an den Flaneur denken, wenn man John WIlliams‘ Novelle liest. Derjenige, der daran dachte beim Lesen, war ich, kein „man“.… Zum Weiterlesen

Johannes Bobrowski: Gesammelte Gedichte

Bobrowski, Gesammelte Gedichte

Bobrowski war anders, ist anders. Das erscheint sicherlich als merkwürdiger Charakterisierungsversuch für einen Schriftsteller, für einen Künstler. Denn das Anderssein, das Anders zur Welt gestellt sein als das Gängige, das Hergebrachte, die Konvention ist doch eine genuine Eigenschaft von Literatur und Kunst. Angepasstheit an das Gewohnte ließe sie erstarren im Trivialen, machte sie im besseren Fall zum Kunsthandwerklichen, im Regelfall überflüssig.… Zum Weiterlesen

Robert Menasse: Die Hauptstadt

Menasse, Die Hauptstadt

Das kann auch ins Auge gehen. Literarische Texte, die eine klar erkennbare Intention haben, die sich lesen lassen als Plädoyer für oder gegen etwas, laufen Gefahr, dass ihnen das genuin erzählerische Moment abhanden kommt, dass sie im ungünstigen Fall etwas Traktathaftes bekommen. Dann fragt man sich als Leser, warum der Autor denn nicht besser ein Sachbuch geschrieben hätte oder einen Essay.… Zum Weiterlesen

Johann Wolfgang von Goethe: Gingo Biloba

Goethe, Gingo Biloba

Johann Wolfgang von Goethe: Gingo BilobaGinkgo einzeln

Dieses Baum‘s Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,

 Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut.

Ist es Ein lebendig Wesen?
Das sich in sich selbst getrennt,
Sind es zwei? die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?

Solche Frage zu erwiedern,
Fand ich wohl den rechten Sinn;
Fühlst du nicht an meinen Liedern
Daß ich Eins und doppelt bin?
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Ketil Bjørnstad: Emma oder Das Ende der Welt

Bjornstad, Emma

Gleich zwei norwegische Romane, die in diesem Jahr mit zeitlicher Verzögerung auf Deutsch erschienen, haben einen Verlagslektor als Hauptfigur. Jan Kjærstads Das Norman Areal (Norwegen 2011) erzählt vom Verhältnis von Lesen und LiebeKetil Bjørnstads Emma oder Das Ende der Welt (Norwegen 2012) vom Umgang mit unsagbarem Unglück und Trauer.… Zum Weiterlesen

Emmanuelle Pirotte: Heute leben wir

Pirotte, Heute leben wir

Ein Begleiter des Euregio-Schüler-Literaturpreises von Beginn an bin ich nicht, aber ich verfolge ihn seit Jahren, meist lesend, ab und an auch Veranstaltungen besuchend. Unter den zahlreichen und durchweg sinnvollen Literaturpreisen in unserem Land ist er mir letztlich der liebste. Nicht einmal in erster Linie, weil er den regionalen Bezug zu meinem Lebensraum, zu meiner Heimat hat, sondern weil er von Schülerinnen und Schülern vergeben wird.… Zum Weiterlesen