Jürgen Becker: Jetzt die Gegend damals

Jürgen Becker Gegend

Der Titel ist Programm: Jetzt die Gegend damals. Jürgen Becker beweist in seinem letztes Jahr im August erschienenen Roman ein ausgesprochen sensibles Auge für die „Gegend“. Gegend ist all das, was ihn umgibt, vor allem aber Landschaften, Siedlungsformationen am Rande der Stadt und auf dem Land und natürlich die Menschen und Tiere, die sich in … Weiterlesen

Michael Köhlmeier: Das Mädchen mit dem Fingerhut

Erst am Ende gibt Michael Köhlmeier die bis dahin weitgehend durchgehaltene Erzählperspektive auf, wird auktorial und appelliert an den Leser: Wenn es wahr ist, dass an Gottes rechter Seite sein Liebling steht, bei allem, was er tut, was er pflanzt und segnet, wenn das wahr ist, so hör die Schritte, die kleinen, die großen, das … Weiterlesen

Hans Platzgumer: Am Rand

HITOTSU – das ist das erste Wort der fünf Grundregeln des Karate. In diesen sogenannten Dōjōkuns verbirgt sich fast die gesamte Ethik des ostasiatischen Kampfsports; sie betonen gerade nicht das Kämpferische, sondern Respekt, Disziplin und Charakterstärke. HITOTSU bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie „erstens“ und signalisiert, dass alles gleich wichtig ist. HITOTSU – so … Weiterlesen

Benedict Wells: Vom Ende der Einsamkeit

Es ist bekannt, vielleicht; es bewegt, zumeist: Mondnacht Es war, als hätt‘ der Himmel Die Erde still geküsst, Daß sie im Blüten-Schimmer Von ihm nun träumen müßt‘. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, … Weiterlesen

Peter Stamm: Weit über das Land

Las man die Vorankündigungen seitens des Verlags zum neuen Roman von Peter Stamm oder wirft man einen Blick auf den Klappentext, so steigt im Leser vielleicht die Ahnung, bei dem einen oder anderen auch die Befürchtung auf, man höre beim Lesen im inneren Ohr immer das Mundharmonika-Solo aus Udo Jürgens‘ Evergreen „Ich war noch niemals … Weiterlesen

Burkhard Spinnen: Die letzte Fassade Wie meine Mutter dement wurde

Vorsicht, persönliche Betroffenheit! Einzelne Texte von Burkhard Spinnen kannte ich sicherlich, auch wenn mir spontan kein Titel einfällt. Aber ich habe zuvor nie ein Buch von ihm gelesen. Das spricht nicht gegen den Autor, das bezeugt nur meine selektive Wahrnehmung. Dann hörte ich Ende letzten/Anfang diesen Jahres einen Podcast der Sendereihe Deutschlandradio Kulturfragen, in dem … Weiterlesen

Christoph Hein: Glückskind mit Vater

„Am Anfang war eine Landschaft.“ So begann die Novelle Der fremde Freund, die 1982 Christoph Hein zum literarischen Durchbruch verhalf. So könnte auch sein neuer Roman Glückskind mit Vater beginnen. Denn auch hier betritt der Leser gemeinsam mit einem Ich-Erzähler ein durch Menschenhand geformtes Naturareal, ein aufgeforstetes Birkenwäldchen, das wiederum vollkommen umschlossen ist von einem … Weiterlesen

Dierk Wolters: Die Hundertfünfundzwanzigtausend-Euro-Frage

Ja, genau. Der Gedanke, der Ihnen beim Titel des Buches gleich in den Sinn gekommen ist, ist vollkommen richtig. Die erzählte Geschichte nimmt ihren Ausgangspunkt in Günther Jauchs „Wer wird Millionär“. Dierk Wolters – er ist im Übrigen Kulturredakteur bei der Frankfurter Neuen Presse – hat irgendwo erwähnt, ihn habe die Situation, in die sich … Weiterlesen

Martin Walser: Ein sterbender Mann

Ich widerspreche! In seinem persönlich an Martin Walser adressierten, aber natürlich eigentlich an seine Leserinnen und Leser gerichteten  Rezensionsbrief rechnete Tobias Nazemi ziemlich harsch mit Walsers aktuellem Roman Ein sterbender Mann ab. Die seinerseits gewählte Form des Leserbriefs kam offensichtlich gut an und fand reichlich Resonanz. Die Besprechung hatte vieles, was man sich wünscht: sie … Weiterlesen

Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war

Während sich am Ende des letzten Jahres der dritte Teil seines Erinnerungsprojekts „Alle Toten fliegen hoch“ mit dem Titel Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke in den oberen Plätzen der verschiedenen Bestsellerlisten etablierte, habe ich Joachim Meyerhoffs zweiten Roman dieses Zyklusses gelesen. Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war erschien 2013 und … Weiterlesen

Ohne Verfallsdatum Persönliche Anmerkungen zum literarischem Bestand über das Jahr 2015 hinaus

In den letzten Tagen habe ich so viele Blogs gelesen, in denen Rückschau auf das eigene Lesejahr gehalten und Buchempfehlungen ausgesprochen werden, dass ich schon erwog, genau aus dem Grund mich selbst zurückzuhalten. Aber der Rückblick auf die gelesenen Bücher ist auch ein Rückblick auf meinen Blog. Den habe ich im September begonnen, eine schon … Weiterlesen

Andreas Maier: Mein Jahr ohne Udo Jürgens

Genau vor einem Jahr, am 21. Dezember 2014, starb Udo Jürgens. Sein Tod überraschte die Öffentlichkeit und wurde, zumindest im deutschsprachigen Raum, zu dem vorweihnachtlichen Medienereignis. Doch das war Udo Jürgens eigenlich schon immer. Er gehörte für diejenigen, die nach 1960 geboren sind, zu den wenigen Gestalten, die eigentlich schon immer da waren, quasi zeitlos, … Weiterlesen

Robert Seethaler: Der Trafikant

Die Reihenfolge, in denen man die Bücher eines Autors liest, entspricht nur selten der Chronologie ihrer Veröffentlichung. So ist es mir  auch gegangen mit Robert Seethalers Roman Der Trafikant. Anfang des Jahres hatte ich Seethalers kleinen Roman Ein ganzes Leben gelesen und sah mich in die Reihe der Begeisterten eingereiht. Ich war beeindruckt von der … Weiterlesen

Abgebrochenes 2015 Gescheiterte Lektüren des Jahres

In seinem mittlerweile über 20 Jahre alten wunderbaren Essay „Wie ein Roman“ formulierte Daniel Pennac zehn „unantastbare Rechte des Lesers“, die seither immer wieder aufgenommen werden und in eigene Überlegungen einfließen. Das dritte der Rechte, die Pennac in seinem Dekalog festhält, ist das Recht, ein Buch nicht zu Ende zu lesen. Ob es dafür 36.000 … Weiterlesen

Jan Costin Wagner: Sonnenspiegelung

Kriminalromane sind kein literarischen Genre, in dem Heiterkeit und Freude einen hohen Stellenwert haben. Was mit dieser Aussage als Binsenweisheit daher zu kommen scheint, ist aber dann bemerkenswert, wenn vor deren Hintergrund eine Besonderheit hervorgehoben werden soll. Bei Jan Costin Wagners Kriminalromane um den finnischen Kommissar Kimmo Joentaa liegt diese Besonderheit in ihrer abgrundtiefen Traurigkeit, … Weiterlesen